Landnahme by Christoph Hein

Landnahme by Christoph Hein

Author:Christoph Hein [Hein, Christoph]
Language: deu
Format: epub
ISBN: 9783518459287
Publisher: Suhrkamp Verlag GmbH
Published: 2007-11-14T23:00:00+00:00


»Manche machen selber, manche lassen machen. Wenn man Tag und Nacht unter dem Auto liegt, kommt man vielleicht nicht dazu.«

»Oder man will was ganz Besonderes. Was nicht jeder hat.«

»Ja, Kraushaar, ne dicke Nase und alles hübsch gebräunt.«

»Soll für die Weiber ja ein Vergnügen sein, was man so hört.«

»Wovon redet ihr?«

»Ach nur so, Koller. Kleines Gespräch unter Freunden. Musst du nicht persönlich nehmen.«

»Ich hab gehört, im Konsum gibt es neuerdings Negerpuppen zu kaufen. Ganz frisch reingekommen.«

»Wer es braucht, freut sich. Bei mir käme so was nicht ins Haus.«

»Natürlich nicht. Du bist ja noch selber zugange.«

»Ja. Und zwar immerzu. Jeden Tag.«

»Oder jede Nacht.«

»In der Nacht musst du aufpassen. Sonst gibts eine Pigmentverschiebung.«

»Das ist das Blödeste, was ich je gehört habe.«

»Selber blöd.«

»Pigmentverschiebung! Na, damit müsste mir meine Olle kommen. Der würde ich was verschieben.«

»Kommt immerzu vor.«

»So? Habe ich nie gehört.«

»Du weißt vieles nicht.«

»Wie soll denn das gehen, das verrat mir mal!«

»Kommt tatsächlich immerzu vor. Wenn ein Nigger seinen Schwanz bei deiner Alten reinschiebt, gibts eine Pigmentverschiebung, verstehst du.«

»Das habe ich mir auch so gedacht. Aber lass meine Alte aus dem Spiel, hörst du, sonst verpass ich dir eine. Meine Alte ist nämlich kein Flittchen, die mit anderen rummacht. Und schon gar nicht mit Niggern.«

»Sehr komisch«, sagte ich, »sehr, sehr komisch.«

Ich stand auf, ging an den Tresen, bezahlte mein Bier und ging nach Hause. In meine Wohnung. Denn das war sie noch immer, meine Wohnung. Gitti war hier als Gast eingezogen, sie und ihr Balg wohnten hier zur Untermiete, und ich konnte sie jederzeit raussetzen.

Gitti wusch Windeln in der Küche. Mit einem langen Holzlöffel stieß sie die nach oben treibenden Moltontücher immer wieder in die brodelnde Brühe. Ich holte mir eine Bierflasche aus dem Keller, setzte mich ins Wohnzimmer und legte eine Schallplatte auf, die ich von einem Kunden bekommen hatte, amerikanischer Rock ’n’ Roll. Gitti kam ins Zimmer und bat mich, die Musik leise zu stellen, das Baby würde schlafen. Ich verschob den Regler ein wenig, solche Musik kann man nicht leise hören. Sie blieb im Zimmer stehen und sah mich an, ich nahm eine Zeitschrift und blätterte darin.

»Und was ist nun?«, fragte sie schließlich, »ich vermute, mit Heiraten ist nichts mehr, oder?«

Ich zündete mir eine Zigarette an, obwohl sie das nicht leiden konnte und ich, seitdem das Baby im Haus war, nie mehr in der Wohnung geraucht hatte.

»Ich denke, du solltest dich langsam nach einer Wohnung umgucken«, sagte ich nachlässig und ohne meinen Blick von der Zeitung zu heben, »oder besser, sehr schnell.«

»Verstehe. Doch ein bisschen wird es dauern. Ich habe nicht deine guten Verbindungen zum Wohnungsamt. Und ich vermute, du wirst bei deinem Freund dort kein Wort für mich einlegen.«

»Sicher nicht. Du kannst ja zu deinen Eltern ziehen. Oder zu dem Kindsvater. Der wird dir ja gefallen. Und er wird vielleicht von deinem Baby begeistert sein. Oder ist er schon über alle Berge? Hat er dich sitzen lassen? Hat das Weite gesucht, als du den dicken Bauch hattest?«

»Überlege es dir gut, Koller. Wenn ich gehe, gehe ich für immer. Dann hast du mich das letzte Mal gesehen.



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