Wie weiter? by Gregor Gysi

Wie weiter? by Gregor Gysi

Author:Gregor Gysi
Language: deu
Format: epub
Publisher: Das Neue Berlin
Published: 2013-06-19T16:00:00+00:00


11. Ich bin für Auflösung der NATO

Der Nordatlantik-Pakt wurde Ende der 40er Jahre gegründet, und das Militärbündnis richtete sich natürlich gegen die UdSSR und ihre Verbündeten, was allein schon dadurch bewiesen ist, dass der Antrag der Sowjetunion auf Aufnahme in die NATO abgelehnt wurde.

Mit dem Ende des Warschauer Vertrages hätte darum auch die NATO aufgelöst werden müssen. Das kann man immer noch tun. Ich jedenfalls bin für die Auflösung. An die Stelle der NATO sollte ein Bündnis für Sicherheit und Zusammenarbeit treten. Dessen Aufgabe wäre nicht, militärisch in fremden Staaten zu intervenieren, wie das bei der NATO inzwischen Praxis ist, sondern konfliktvorbeugend und -vermeidend aktiv zu werden. Das ist ein völlig anderes Herangehen.

Mich stört am meisten an der NATO, dass sie Kriege wie selbstverständlich führt. Krieg ist wieder ein legitimes Mittel der Politik geworden.

Im April rückten Soldaten des NATO-Staates Frankreich in Mali ein. Der Welt wurde gezeigt, man habe das Land vor den vorrückenden Islamisten geschützt und dann befreit. Das fand die Welt in Ordnung, weil die Fanatiker – so sah man es im Fernsehen und las es in der Zeitung – die zum Weltkulturerbe gehörenden Mausoleen von Timbuktu zerstörten und die Scharia einführten. Bei den Kämpfen wurden auch Zivilisten getötet, was man wie gemeinhin üblich als Kollateralschaden bezeichnete.

Ein Journalist schrieb, dass der französische Militäreinsatz weniger der Rettung der Lehmbauten von Timbuktu diente, sondern mehr der Sicherung der Uranvorkommen, auf die die Atommacht Frankreich dringend angewiesen ist. Bekanntlich erzeugt das Land seine Energie zu großen Teilen in Atommeilern. Und es gibt drei unerforschte Erdölfelder im Norden, gewaltige Phosphatvorkommen, Gas und Gold. Damit war alles gesagt. Doch der Journalist fügte hinzu: Neben den Kollateralschäden gibt es auch einen Kollateralnutzen – es wurde in der Tat verhindert, dass die Islamisten weiter Unschuldigen oder Dieben Hände und Füße abschlugen. Das habe Relevanz, sei aber nicht der Grund des Krieges.

Also halten wir fest: Militärische Interventionen heute – egal, welche propagandistischen Begründungen auch geliefert werden – erfolgen zur Sicherung ökonomischer Interessen. Das ist für mich ein entscheidender Grund, die Auflösung der NATO zu fordern. Sie ist nicht reformierbar. An ihre Stelle muss eine andere Organisation treten, die nicht Konflikte austragen, sondern verhindern soll. In dieses Bündnis gehört natürlich auch Russland.

Gleichzeitig müssten die militärischen Komponenten in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU aufgelöst werden.

Meine Partei fordert eine breite gesellschaftliche und parlamentarische Diskussion über das außen-, sicherheits- und friedenspolitische Verständnis Deutschlands.

Das NATO-Bündnis wird von allen übrigen im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien zur »Staatsräson« erhoben. Kritik an der NATO ist für sie tabu. In der politischen Praxis setzen sie die NATO über die UNO.

Nach Lage der Dinge sind wir die einzige Partei im Deutschen Bundestag, die einen friedenspolitischen Paradigmenwechsel fordert. Und wir bleiben dabei: Grundlage außen- und sicherheitspolitischer Entscheidungen muss die UNO-Charta sein.



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