So kam der Mensch auf den Hund by Konrad Lorenz

So kam der Mensch auf den Hund by Konrad Lorenz

Author:Konrad Lorenz
Language: deu
Format: epub
Publisher: DTV Deutscher Taschenbuch Verlag


Burgfriede

Es ist merkwürdig leicht, selbst einem scharfen und jagdgierigen Hund beizubringen, daß er im Zimmer gehaltene Tiere in Frieden lassen müsse. Auch hartnäckige Katzenfeinde, denen es nicht abzugewöhnen ist, Katzen im Garten, und natürlich erst recht in freier Wildbahn, zu jagen, denken nicht daran, innerhalb des Hauses eine Katze zu behelligen. Deshalb pflege ich schon lange meinen Hunden alle neu erworbenen Tiere in meinem Zimmer vorzustellen. Warum der Hund im Heim um so viel weniger raubgierig ist, weiß ich nicht. Feststeht, daß im Hause nur seine Jagdgier, nicht aber seine Streitlust herabgesetzt ist. Gegen einen fremden Hund war noch jeder meiner Hunde besonders angriffslustig und böse, wenn er sich erfrechte, in unser Zimmer einzudringen. An anderen Hunden habe ich Entsprechendes zu beobachten nie Gelegenheit gehabt, da ich meine Hunde grundsätzlich nicht in fremde Wohnungen, in denen Hunde gehalten werden, mitnehme. Dies ist einfach ein Gebot menschlicher Rücksichtnahme. Nicht nur deshalb, weil vielen Leuten Hunderaufereien auf die Nerven fallen – mir ja nicht, denn meine Hunde siegen meistens dabei –, sondern weil der Besuch eines fremden Hundes bei temperamentvollen Rüden ein nicht jeder Hausfrau willkommenes Verhalten auslöst. Wie ich im Kapitel über ›Hundesitten‹ näher ausgeführt habe, hat nämlich das Beinheben neben anderen Funktionen auch die, das eigene Territorium, den »Grundbesitz« zu bezeichnen. Diese Markierung des Eigentums, die dem Hunde innerhalb des Hauses untersagt ist, wird hier von ihm nicht als unbedingt notwendig empfunden, da er seinen eigenen Duft, respektive den seiner mitwohnenden Art- und menschlichen Hausgenossen, ohnedies in genügender Konzentration wahrnimmt. Wehe aber, wenn ein fremder Hund oder, noch schlimmer, ein ihm persönlich bekannter und verhaßter Feind auch nur ein einziges Mal durch das Haus gelaufen ist! In diesem Falle fühlt sich jeder einigermaßen lebhafte Rüde verpflichtet, den ekelhaften Fremdgeruch durch eine. eigene kräftige Geruchsmarke zu überdecken. Zum Entsetzen des Besitzers läuft dann der sonst so artige und verläßlich zimmerreine Hund durch die ganze Wohnung und hebt scham- und rücksichtslos an einem Möbelstück nach dem anderen das Bein. Derlei mag also überlegt sein, ehe man mit seinem Hunde anderen Hunden Besuche macht.

Die erwähnte Friedfertigkeit des Hundes im eigenen Heim gilt also nur dem Beutetier, keineswegs dem Artgenossen. Es ist nicht unmöglich, daß wir es hier mit einer im Tierreich weit verbreiteten Verhaltensweise, besser gesagt: Hemmung, zu tun haben. So ist vom Habicht und von vielen anderen Raubvögeln bekannt, daß sie in der Nähe des Horstes überhaupt nicht jagen. Man hat Ringeltaubennester mit erwachsenen Jungen unmittelbar neben Habichtshorsten gefunden, und es liegen verläßliche Berichte vor, daß Brandenten (Tadorna tadorna L.) in bewohnten Fuchsbauten gebrütet und ihre Jungen ausgebracht haben. Auch Rehkitze sollen in nächster Nähe von Wolfshöhlen unbelästigt aufwachsen. Ich glaube, daß es eben dieses uralte Gesetz des Burgfriedens ist, welches unsere Hunde gegen verschiedene Tiere im Zimmer so friedfertig sein läßt.

Selbstverständlich ist die besprochene Hemmung, im eigenen Heim Beute zu machen, durchaus nicht absolut. Es bedarf vielmehr eindringlicher Maßnahmen, um einem lebhaften und jagdlustigen Hunde klarzumachen, daß die Katze, der Dachs, der junge Feldhase, die Wüstenspringmaus oder sonst ein Tier, mit



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