Die liebe Verwandtschaft by Kishon Ephraim

Die liebe Verwandtschaft by Kishon Ephraim

Author:Kishon, Ephraim [Kishon, Ephraim]
Language: deu
Format: epub
Tags: Humor
ISBN: 9783784480190
Publisher: Langen Müller
Published: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Compukortschnoi

Onkel Benno kam aus Amerika zu Besuch und brachte Geschenke für die ganze Familie mit. Als ich das mir zugedachte auspackte, fand ich ein flaches Kästchen vom Umfang eines Taschenbuchs, mit 16 blitzblanken Druckknöpfen versehen.

»Damit du dich nicht langweilst«, grinste Onkel Benno. »Ein Schach-Computer.«

Ich liebe das Schachspiel seit meiner Jugend. Die ganze Weisheit des Fernen Ostens liegt darin. Schriftsteller, besonders Satiriker, haben eine ähnliche Neigung zum Schach wie Politiker zum Poker. In den frühen Vierzigerjahren war ich sogar drauf und dran, ein Schachbuch zu schreiben. Leider kamen mir die Nazis dazwischen und ich bin damals nur ganz knapp dem drohenden Matt entronnen.

Im Durchschnitt verbringe ich jetzt 36 Stunden täglich mit Onkel Bennos Geschenk. Wir beginnen schon am Morgen zu spielen, noch während ich mich rasiere, und hören erst auf, nachdem ich mit dem Kästchen im Arm zu Bett gegangen bin. Verdrängter Sex? Homoerotische Tendenzen? Möglich. Ich muss gestehen, dass ich an meinem hübschen Spielgefährten mit den süßen Blinkeknöpfchen leidenschaftlich hänge.

Und er ist nicht nur hübsch, er ist auch gescheit. Mit seinem kleinen, zarten Stimmchen piepst er nach jedem Zug – einmal, wenn’s theoretisch ein richtiger Zug war, zweimal, wenn ich einen Fehler gemacht habe. Sein Gegenzug erscheint in roten Chiffren auf einer eigens für ihn eingebauten Fläche.

Ich nenne ihn Compukortschnoi, weil er ein guter Spieler ist. Er ist auch ein guter Verlierer. Wenn ihm klar wird, dass ich die Partie gewinne, lässt er ein trauriges Blinksignal aufleuchten: »I give up« (ich erwähnte schon, dass er aus Amerika kommt). Manchmal hingegen, wenn die Partie sich zu seinen Gunsten wendet, schaut er mich verächtlich an und es erscheint rot auf seiner Fläche: »You bum«, was soviel heißt wie: »Du Patzer«. Und wenn er in eine bedrängte Situation gerät, verlangt er mehr Zeit zum Nachdenken. Er benimmt sich ganz wie ein Mensch. Ob er eines Tags zu sprechen beginnen wird, mein Compukortschnoi? Russisch? Jiddisch?

Die beste Ehefrau von allen hält mich für verrückt, aber das ist natürlich nur Eifersucht. Sie versteht eben nichts vom Schach. Ihre Beziehung zur Geisteswelt des Fernen Ostens beschränkt sich auf Yoga und Joghurt.

Was den Umgang mit Compukortschnoi besonders reizvoll macht, ist die Möglichkeit, mitten in der Partie seinen Intelligenzquotienten zu ändern, genauer: seine schachlichen Fähigkeiten zu steigern oder zu senken. Er verfügt über zehn Leistungsstufen. Auf der Ersten denkt er immer nur eine Sekunde nach und spielt überhaupt wie ein Anfänger. Auf der Zehnten braucht er für manchen Zug eine volle Stunde und ist nicht zu schlagen. Ich stelle ihn meistens auf den dritten Leistungsgrad ein. Und wenn er einen der schäbigen Tricks, mit denen sie ihn in Chicago gefüttert haben, an mir ausprobieren will, degradiere ich ihn mit maliziösem Lächeln auf Rang zwei. Dagegen ist er machtlos. Wer weiß, wie der Weltmeisterschaftskampf auf den Philippinen ausgegangen wäre, wenn sich der wirkliche Kortschnoi in der entscheidenden Partie zu Karpovs Jackett vorgebeugt und durch eine kleine Knopfdrehung den späteren Weltmeister in einen mittelklassigen Turnierspieler verwandelt hätte.

Es muss noch vermerkt werden, dass ich einen schlechten Zug im Bedarfsfall mittels Drucks auf einen Spezialknopf rückgängig machen kann.



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