Der Islam by Heinz Halm
Author:Heinz Halm
Language: deu
Format: epub
ISBN: 9783406633966
Publisher: C.H.Beck
Zweiter Teil
Der Islam im Alltag
Das Fehlen des islamischen Staates und einer islamischen «Kirche»
Zu den wesentlichen Kennzeichen des heutigen Islam gehören die beiden Tatsachen, dass es den islamischen Staat nicht mehr gibt (von einzelnen Versuchen, einen solchen wiederzuerrichten, abgesehen) und dass es eine umfassende Organisation der islamischen Glaubensgemeinschaft – also so etwas wie eine islamische «Kirche» – nie gegeben hat. Die in Europa weitverbreitete Vorstellung (oder Befürchtung), hinter den mannigfachen islamischen Aktivitäten in aller Welt stehe eine mächtige Organisation, die alles nach einem zentralen Willen und in eine bestimmte Richtung lenke, ist unzutreffend.
Der Islam ist zusammen mit einem Staat entstanden, dem arabischen Kalifat, und hat sich durch die imperiale Expansion dieses Staates über weite Teile der Alten Welt ausgebreitet. Die Träger und Lenker dieses Staates waren von Anfang an Muslime. Der Islam musste sich also nicht – wie das Christentum – erst gegen den Staat durchsetzen, in dem er entstanden ist, und konnte sich – zumindest in den Anfängen – durchaus als mit ihm identisch fühlen. Diese Sicherheit wurde brüchig, als das Kalifat im 8. Jahrhundert von den Rändern her abzubröckeln begann, als selbstständige Staaten entstanden und Kriege zwischen islamischen Mächten so selbstverständlich wurden wie die zwischen christlichen Reichen. Im ersten Teil dieses Buches wurde darauf hingewiesen, dass staatliche und religiöse Interessen auch in der islamischen Welt durchaus divergieren konnten und können und dass weite Bereiche des staatlichen und sozialen Lebens die gewissermaßen weltliche Domäne des Herrschers blieben. Der vielzitierte Slogan «Der Islam ist eine Religion und ein Staat» (al-Islâm dîn wa-daula) ist also ein ideologisches Postulat, aber keine Beschreibung der historischen Wirklichkeit. Dennoch waren die vormodernen Staaten der islamischen Welt in dem Sinne islamisch, dass der Islam die herrschende Religion und die Muslime die rechtlich privilegierte Bevölkerungsgruppe darstellten, während die Nichtmuslime als dhimmîs zwar den Schutz des islamischen Staates – einschließlich Religionsfreiheit – genossen, ansonsten aber eindeutig Untertanen zweiter Klasse waren.
Der schwindende islamische Charakter des Staates lässt sich am besten am Beispiel des Osmanischen Reiches demonstrieren, dessen Herrscher, der Sultan, ja zugleich den Titel des Kalifen, also des «Nachfolgers» des Propheten Mohammed, führte. Schon in der Reformurkunde von 1839, dem von Sultan Abdülmecid proklamierten Chatt-i Scherîf von Gülhane, wurde allen Untertanen, gleich welcher Religion, das volle Bürgerrecht garantiert. Die folgende Reformepoche der Tanzîmât setzte einen großen Teil der verkündeten Prinzipien in die Tat um: 1856 eröffnete ein neuer Erlass des Sultans auch den Nichtmuslimen den Weg zu allen Zivilämtern sowie zum Militärdienst; bisher war der Dienst mit der Waffe ein Privileg der Muslime gewesen. Moderne Gesetze nach europäischem Vorbild setzten weite Gebiete der traditionellen scharî‛a außer Kraft; die Einführung eines modernen Schul- und Universitätswesens brach das Bildungsmonopol der Religionsgelehrten. Zwar war in der 1876 geschaffenen Verfassung des Osmanischen Reiches der Islam noch als Staatsreligion verankert und der Sultan als Kalif bestätigt, doch waren die Angehörigen aller Religionen rechtlich gleichgestellt. Das Regime der Jungtürken (1909–1918) und danach die von Kemal Atatürk geschaffene Republik führten die Reformen zu Ende: 1924 schaffte die türkische Nationalversammlung das Kalifat ab, 1928 verlor der Islam seine Rolle als Staatsreligion und 1937 wurde das Prinzip des Laizismus in der Verfassung verankert.
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