Das Werk - 14 by Émile Zola

Das Werk - 14 by Émile Zola

Author:Émile Zola [Zola, Émile]
Language: deu
Format: epub
Tags: Rougon-Macquart
Publisher: TUX
Published: 2010-02-22T23:00:00+00:00


Kapitel IX

Claude, der sein großes Bild in dem kleinen Atelier in der Rue de Douai nicht malen konnte, beschloß, anderswo irgendeinen Schuppen, in dem genügend Platz war, zu mieten; und als er über den Montmartre Hügel bummelte, fand er, was er brauchte, in halber Höhe der Rue Tourlaque, dieser Straße, die hinter dem Friedhof zu Tal führt und von wo aus man Clichy bis zu den Sümpfen von Gennevilliers überschaut. Es war der ehemalige Trockenboden eines Färbers, eine Baracke von fünfzehn Meter Länge und zehn Meter Breite, bei der alle Winde des Himmels durch Bretter und Putz wehten. Man vermietete ihm den Schuppen für dreihundert Francs im Jahr. Es ging auf den Sommer zu, Claude würde rasch sein Bild hinhauen und dann wieder abziehen.

Vor Arbeitslust und Hoffnung fiebernd, entschloß er sich zu allen notwendigen Ausgaben. Da das Glück sicher war, warum sollte er ihm da durch unnütze Vorsicht Hindernisse in den Weg legen? Er machte von seinem Recht Gebrauch und griff das Kapital an, das ihm die tausend Francs Jahreszinsen eintrug; er gewöhnte sich daran, ohne viel zu rechnen, einfach davon zu nehmen. Zunächst hatte er das vor Christine verheimlicht, denn sie hatte ihn schon zweimal davor zurückgehalten, und als er es schließlich doch sagen mußte, gewöhnte auch sie sich nach acht Tagen Vorwürfen und Ängsten daran, war glücklich über den Wohlstand, in dem sie lebte, und gab sich dem angenehmen Gefühl hin, stets Geld in der Tasche zu haben. Das wurden ein paar Jahre schlaffen Sichgehenlassens.

Bald lebte Claude nur noch für sein Bild. Er hatte das große Atelier notdürftig eingerichtet: Stühle, sein alter Diwan vom Quai de Bourbon, ein Fichtenholztisch, den er für hundert Sous bei einer Trödlerin erstanden hatte. Die Eitelkeit, bei der Ausübung seiner Kunst eine luxuriöse Einrichtung um sich zu haben, ging ihm ab. Seine einzige größere Anschaffung war eine fahrbare Leiter mit Plattform und verstellbarem Tritt. Dann befaßte er sich mit seiner Leinwand, die er acht Meter lang und fünf Meter hoch haben wollte; und er setzte es sich in den Kopf, sie selber herzurichten, bestellte den Gitterrahmen, kaufte eine Leinwand, die keine Naht haben durfte, und zwei Kumpel und er hatten alle Mühe, sie mit Zangen aufzuspannen; dann begnügte er sich damit, sie mit Hilfe des Messers mit einer Schicht Bleiweiß zu überziehen, wobei er es ablehnte, sie zu leimen, damit sie saugfähig blieb, wodurch, wie er sagte, die Malerei hell und fest wurde. An eine Staffelei war überhaupt nicht zu denken, man hätte mit einem solchen Ungetüm nicht umgehen können. Deshalb ersann er ein System aus Balken und Seilen, womit er das Ganze, ein bißchen vorgeneigt, im leicht darüber hinstreifenden Licht an der Wand aufhängte. Und an dieser weiten weißen Fläche entlang rollte die Leiter: das war ein regelrechter Bau, ein Gerüst, als gelte es, eine Kathedrale zu erbauen.

Aber als alles fertig war, kamen ihm Bedenken. Ihn quälte der Gedanke, er habe vielleicht bei seinen Studien nach der Natur dort unten nicht das beste Licht ausgewählt. Vielleicht wäre der Morgen tatsächlich besser dazu



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