Wolfsblut by Jack London

Wolfsblut by Jack London

Author:Jack London [London, Jack]
Language: deu
Format: epub
Published: 2013-09-15T16:00:00+00:00


SECHSTES KAPITEL

Die Hungersnot

Der Frühling war ganz nahe gekommen, als der Graue Biber seine lange Fahrt beendet hatte. Es war wieder April und Wolfsblut ein Jahr alt, als er in das heimische Dorf einzog und Mitsah ihn ausspannte. Obgleich noch nicht völlig ausgewachsen, war er neben Liplip der größte Hund seines Alters. Schon jetzt konnte er sich mit erwachsenen Hunden messen, denn von beiden Eltern hatte er Wuchs und Stärke geerbt, und es fehlte ihm nur noch an Breite. Sein Körper war hager und eckig und seine Stärke mehr ausdauernd als gewichtig. Sein graues Fell zeigte die echte Wolfsfarbe, und dem Anschein nach war er ein echter Wolf. Was vom Hunde er von Kische geerbt, hatte ihm körperlich keinen Stempel aufgedrückt, wenn es auch in seiner geistigen Begabung eine Rolle spielte.

Er wanderte durch das Dorf und sah mit ruhiger Befriedigung die Personen wieder, die er vor der langen Fahrt gekannt hatte. Auch die Hunde besah er sich, junge, die wie er herangewachsen waren, und erwachsene, die nicht so groß und so schrecklich aussahen wie das Bild, das er von ihnen im Gedächtnis trug. Darum hatte er jetzt weniger Angst vor ihnen und schritt mit einer sorglosen Sicherheit unter ihnen herum, die ihm ebenso neu wie angenehm war. Unter ihnen gab es einen alten, grauen Burschen, Besik, der in früheren Tagen ihm nur die Zähne zu zeigen brauchte, um Wolfsblut die eigene Unbedeutendheit fühlen zu lassen, und durch den er nun erfahren sollte, welche Veränderung mit ihm vorgegangen war. Beim Zerlegen eines frisch erlegten Elches sollte Wolfsblut einsehen lernen, wie verändert seine Beziehungen zu den Hunden jetzt waren. Er hatte einen Huf und einen Teil des Schienbeins bekommen, an dem noch ein gutes Stück Fleisch hing. Er hatte sich aus der unmittelbaren Nähe der Hunde entfernt und verzehrte seinen Anteil hinter einem Gebüsch, als Besik auf ihn loskam. Ohne sich lange zu besinnen, hatte Wolfsblut den mutmaßlichen Angreifer zweimal gebissen und war dann zur Seite gesprungen. Dieser war über die Verwegenheit und Schnelligkeit des Angriffs verblüfft und stand und starrte Wolfsblut an, während der blutige Knochen zwischen ihnen lag. Der Alte hatte schon bei den Hunden, die er früher anzuschnauzen pflegte, bittere Erfahrungen gemacht und die Klugheit zur Hilfe rufen müssen, um mit ihnen zu wetteifern. Früher wäre er in angebrachtem Zorn auf Wolfsblut losgesprungen, aber die mangelnden Kräfte erlaubten ihm kein solches Vorgehen mehr. Er sträubte nur wild die Haare und blickte finster auf den Knochen hinüber. In Wolfsblut erwachte ein gut Teil der früheren Ehrfurcht, er zögerte, ob er nicht doch zurückweichen und einen nicht allzu schimpflichen Rückzug antreten sollte.

Hätte Besik sich damit begnügt, noch weiter drohend und finster zu blicken, so hätte Wolfsblut ihm am Ende den strittigen Knochen überlassen. Allein, jener beging den Fehler, nicht zu warten. Er betrachtete den Sieg schon als errungen und machte einen Schritt auf die Beute los. Als er sorglos den Kopf hinabbog, um diese zu beschnuppern, sträubten sich auch Wolfbluts Haare. Selbst dann wäre es noch nicht zu spät gewesen, und Wolfsblut



Download



Copyright Disclaimer:
This site does not store any files on its server. We only index and link to content provided by other sites. Please contact the content providers to delete copyright contents if any and email us, we'll remove relevant links or contents immediately.