Friedhof der Kuscheltiere by Stephen King

Friedhof der Kuscheltiere by Stephen King

Author:Stephen King [King, Stephen]
Language: deu
Format: epub
Published: 2012-01-02T23:00:00+00:00


33

»Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blühet wie eine Blume auf dem Felde; wenn der Wind darüber gehet, so ist sie nimmer da, und ihre Stätte kennet sie nicht mehr. Lasset uns beten.«

Ellie, strahlend in einem marineblauen, extra für diesen Anlaß gekauften Kleid, senkte so heftig den Kopf, daß Louis, der in der Bank neben ihr saß, ihre Halswirbel knacken hörte. Sie war bisher kaum jemals in einer Kirche gewesen, und natürlich war es ihre erste Beerdigung; beides zusammen machte sie ehrfürchtig und ungewöhnlich schweigsam.

Für Louis war es eine seltene Begegnung mit seiner Tochter. Meist war er von seiner Liebe zu ihr ebenso geblendet wie von seiner Liebe zu Gage; er hatte sie deshalb selten unvoreingenommen betrachtet. Aber heute glaubte er etwas zu sehen, das fast ein Fall aus dem Lehrbuch war -- ein Kind, das sich dem Ende des ersten großen Entwicklungsstadiums seines Lebens näherte; ein Organismus, der fast ganz aus Neugierde bestand und wie besessen Informationen speicherte, in kaum vorstellbarem Umfang.

Ellie hatte sogar geschwiegen, als sich Jud, der in seinem schwarzen Anzug und seinen Schnürschuhen (Louis war sicher, ihn zum ersten Mal in etwas anderem als Slippern oder grünen Gummistiefeln zusehen) ungewohnt, aber elegant aussah, zu ihr niederbeugte und sagte: »Ich freue mich, daß du gekommen bist. Und Norma freut sich bestimmt auch.«

Ellie hatte ihn mit großen Augen angestarrt.

Jetzt erteilte Reverend Laughlin, der methodistische Geistliche, den Segen und betete zu Gott, er möge sein Angesicht über sie neigen und ihnen Frieden geben.

»Würden die Sargträger bitte vortreten?« fragte er.

Louis wollte aufstehen, aber Ellie hielt ihn zurück und zog heftig an seinem Arm. Sie sah verängstigt aus. »Daddy!« flüsterte sie weithin hörbar. »Wo gehst du hin?«

»Ich bin einer der Sargträger, Kleines«, sagte Louis, setzte sich noch einmal einen Augenblick neben sie und legte ihr den Arm um die Schultern. »Das bedeutet, daß ich Norma hinaustragen helfe. Wir sind zu viert -- zwei von Juds Neffen, Normas Bruder und ich.«

»Und wo finde ich dich wieder?« Ellies Gesicht war noch immer gespannt und voller Angst.

Louis blickte nach vorn. Dort hatten sich die drei anderen Sargträger um Jud versammelt. Der Rest der Gemeinde verließ die Kirche; einige Leute weinten.

»Geh nach draußen auf die Stufen. Ich hole dich da ab«, sagte er. »In Ordnung, Ellie?«

»Ja«, sagte sie. »Aber vergiß mich nicht.«

»Bestimmt nicht.«

Er erhob sich wieder, und sie zog abermals an seiner Hand.

»Daddy?«

»Ja, Kleines?«

»Laß sie nicht fallen«, flüsterte Ellie.



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