Buddenbrooks by Mann Thomas

Buddenbrooks by Mann Thomas

Author:Mann, Thomas [Mann, Thomas]
Language: deu
Format: epub, azw3
ISBN: 978-3-10-400309-2
Publisher: Fischer E-Books
Published: 2011-10-30T23:00:00+00:00


{434}Siebenter Teil.

1.

Taufe! … Taufe in der Breitenstraße!

Alles ist vorhanden, was Mme. Permaneder in Tagen der Hoffnung träumend vor Augen sah, alles: Denn im Eßzimmer am Tische – behutsam und ohne Geklapper, das drüben im Saale die Feier stören würde – füllt das Folgmädchen Schlagsahne in viele Tassen mit kochend heißer Chokolade, die dicht gedrängt auf einem ungeheuren runden Theebrett mit vergoldeten, muschelförmigen Griffen bei einander stehen … während der Diener Anton einen ragenden Baumkuchen in Stücke schneidet und Mamsell Jungmann Konfekt und frische Blumen in silbernen Dessertschüsseln ordnet, wobei sie prüfend den Kopf auf die Schulter legt und die beiden kleinen Finger weit von den übrigen entfernt hält …

Nicht lange, und alle diese Herrlichkeiten werden, wenn die Herrschaften sich's im Wohnzimmer und Salon bequem gemacht haben, umhergereicht werden, und hoffentlich werden sie ausreichen, denn es ist die Familie im weiteren Sinne versammelt, wenn auch nicht gradezu im weitesten, denn durch die Oeverdiecks ist man auch mit den Kistenmakers ein wenig verwandt, durch diese mit den Möllendorpfs und so fort. Es wäre unmöglich, eine Grenze zu ziehen! … Die Oeverdiecks aber sind vertreten, und zwar durch das Haupt, den mehr als achtzigjährigen Doktor Kaspar Oeverdieck, regierender Bürgermeister.

Er ist zu Wagen gekommen und, gestützt auf seinen Krückstock und den Arm Thomas Buddenbrooks, die Treppe heraufgestiegen. Seine Anwesenheit erhöht die Würde der Feier … und ohne Zweifel: Diese Feier ist aller Würde würdig!

Denn dort, im Saale, vor einem als Altar verkleideten, mit {435}Blumen geschmückten Tischchen, hinter dem, in schwarzem Ornat und schneeweißer, gestärkter, mühlsteinartiger Halskrause, ein junger Geistlicher spricht, hält eine reich in Rot und Gold gekleidete, große, stämmige, sorgfältig genährte Person ein kleines, unter Spitzen und Atlasschleifen verschwindendes Etwas auf ihren schwellenden Armen … ein Erbe! Ein Stammhalter! Ein Buddenbrook! Begreift man, was das bedeutet?

Begreift man das stille Entzücken, mit dem die Kunde, als das erste, leise, ahnende Wort gefallen, von der Breiten- in die Mengstraße getragen worden? Den stummen Enthusiasmus, mit dem Frau Permaneder bei dieser Nachricht ihre Mutter, ihren Bruder und – behutsamer – ihre Schwägerin umarmt hat? Und nun, da der Frühling gekommen, der Frühling des Jahres einundsechzig, nun ist er da und empfängt das Sakrament der heiligen Taufe, er, auf dem längst so viele Hoffnungen ruhen, von dem längst so viel gesprochen, der seit langen Jahren erwartet, ersehnt worden, den man von Gott erbeten und um den man Doktor Grabow gequält hat … er ist da und sieht ganz unscheinbar aus.

Die kleinen Hände spielen mit den Goldlitzen an der Taille der Amme, und der Kopf, der mit einem hellblau garnierten Spitzenhäubchen bedeckt ist, liegt ein wenig seitwärts und unachtsam vom Pastor abgewandt, auf dem Kissen, so daß die Augen mit einem beinahe altklug prüfenden Blinzeln in den Saal hinein und auf die Verwandten blicken. In diesen Augen, deren obere Lider sehr lange Wimpern haben, ist das Hellblau der väterlichen und das Braun der mütterlichen Iris zu einem lichten, unbestimmten, nach der Beleuchtung wechselnden Goldbraun geworden; die Winkel aber, zu beiden Seiten der Nasenwurzel, sind tief und liegen in bläulichem Schatten.



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