Schlump (German Edition) by Grimm Hans Herbert

Schlump (German Edition) by Grimm Hans Herbert

Author:Grimm, Hans Herbert [Grimm, Hans Herbert]
Language: deu
Format: epub
ISBN: 9783462307771
Publisher: eBook by Kiepenheuer&Witsch
Published: 2014-04-09T22:00:00+00:00


Die Schwester hatte die Maske noch nicht abgenommen. Das Gas drang in sein Blut und vergiftete es. Und das Herz trieb das Blut hinauf in das Gehirn, das in klaren Windungen unter der Schädeldecke lag, und senkte die Betäubung tief in die kleinen Zellen hinein. Die Seele löste sich befreit aus ihren Fesseln, und Schlump schwebte zwischen Tod und Leben. Tiefer wurde sein Traum und seltsamer. –

Schlump hatte alles noch einmal durchmachen müssen, als ob man ihn damit foltern wollte. Jetzt riß der Film ab, und an der weißen Wand vorn erschien wieder eine Schrift, die er nicht lesen konnte. Dann sah er einen Eisenbahnzug, der durch die Finsternis rollte. Die Fenster waren erleuchtet, und man sah drin die Soldaten schlafen. Der Schwarze schlug wieder an die Leinewand mit seinem Stab, daß es schallte: »Lange Töne schrie die Lokomotive in die Nacht. Dann das lautlose Brausen der Finsternis. Die Räder rollten immerzu, immerzu, immerzu. Die Soldaten hatten sich in die Mäntel gewickelt, lagen zusammen, schnarchten, stöhnten im Schlaf. Michael wachte. Starrte in die Nacht. Tote Städte zogen vorbei, vergessene Lichter. Eiserne Brücken schlugen donnernden Takt den Rädern. Unten atmete dumpf der fremde Fluß mit heimlichen blauen Funken. Schmerz schwebte über das Land, saugte die Ebene auf und erstickte die stummen Wälder. Michael griff seine Geige, leise den Bogen, und spielte unendlich fein, daß es kein Mensch hören konnte, spielte das Lied vom Leiden. Magische Kreise zog seine Geige. Langsam versank die Nacht. Tief, tief unten krochen die Menschen wie armes Getier. Und oben stellten die blauen Berge, wo die ewige Seligkeit strahlte, wo die Winde wie Symphonien, wo die Schönheit auf goldenen Wiesen, wo in Tempeln die Freude thronte, wo erhabene Reinheit wohnte, wo …«

Schlump hörte nicht mehr auf den schwarzen Hanswurst, er sah mit glänzenden Augen auf diese wunderbaren Bilder. Eine wunderbare Landschaft tat sich auf zwischen den blauen Bergen. Auf einer bunten Wiese spielten junge Menschen von unbeschreiblicher Schönheit. Und ein Greis mit herrlichen, leuchtenden Augen trat auf ihn zu und nahm ihn an der Hand und führte ihn freundlich hinein in die goldene Wiese. Dort spielten schöne Mädchen mit den Jünglingen, und es schien, als wetteiferten sie, soviel Schönheit wie möglich in ihren Bewegungen zu entfalten. »Siehst du«, sagte der freundliche Greis, »hier werden nur solche Seelen aufgenommen, die das Böse verabscheuen. Und da wir von der Luft leben, haben wir nicht nötig, einander etwas zuleide zu tun.« Und Schlump atmete diese wunderbare Luft ein, die mit den herrlichsten Wohlgerüchen gewürzt war. Manchmal wehte ein leiser Wind, der eine unaussprechlich süße Musik mitbrachte. Schlump sah sich um und entdeckte oben auf einer sanften Höhe einen Tempel, der in einem seltsamen Stil erbaut war, wie er ihn auf der Erde niemals gesehen hatte. »Dort ist die Wohnung der Musik, wir sind jetzt im Tale der Schönheit, wo sich unsere Seelen üben, ihren Körper zu edlen, schönen Formen und Bewegungen zu bilden. Wir gehen weiter. Dort wohnen die Künstler, die aus dem Stoffe die edelsten Gebilde herauszaubern.« Und Schlump sah, wie sie nach den lebenden Modellen arbeiteten, die sich auf der Wiese tummelten.



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