Spillover by Quammen David

Spillover by Quammen David

Author:Quammen, David
Language: deu
Format: epub, mobi
Published: 2013-09-29T16:00:00+00:00


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Im Affenwald

Rhesusaffen sind nicht die einzige Affenart, die Herpes B in sich trägt. Das gleiche Virus hat man auch bei anderen asiatischen Affenarten gefunden, so bei Javaneraffen (Macaca fascicularis) in deren natürlichem Verbreitungsgebiet in Indonesien. Soweit man weiß, wurde die Herpes-B-Infektion in freier Wildbahn jedoch weder von Rhesus- noch von anderen Affen auf Menschen übertragen, nicht einmal in Situationen, in denen die Affen engen Kontakt mit Menschen hatten. Dies lässt sich nicht ohne weiteres erklären, denn die Gelegenheiten waren offenbar gegeben. Sowohl Rhesus- als auch Javaneraffen sind Opportunisten – vor Menschen und ihrer Umwelt haben sie kaum Angst. Als die Vorhut der Menschen sie mit Kettensägen und Macheten aus ihren angestammten Lebensräumen in den Wäldern Indiens, Südostasiens, Indonesiens und der Philippinen vertrieben, waren sie nur allzu bereit, ihre Chance zu nutzen und in den Randgebieten der Zivilisation Fressbares zu suchen, zu stehlen und zu erbetteln. Sie leben überall da, wo sie etwas zu fressen finden und mehr oder weniger geduldet werden. Rhesusaffen sieht man auf den Brüstungen von Regierungsgebäuden in Delhi. Javaneraffen kann man dabei zusehen, wie sie auf den Fluren der Studentenwohnheime einer Universität nicht weit von Kuala Lumpur nach Abfällen suchen. Und da sowohl die hinduistische als auch die buddhistische Religion ganz allgemein eine sanftmütige Einstellung gegenüber Tieren und insbesondere nichtmenschlichen Primaten pflegt, ist die Zahl der Makaken stark gewachsen: Rund um ihre Heimatregionen machen sie sich frech in vielen Tempeln breit, insbesondere wenn ein solcher Tempel in der Nähe eines noch verbliebenen Waldes oder sogar mittendrin steht.

In der Nähe der Hindutempel gereicht ihnen zum Vorteil, dass sie dem Affengott Hanuman ähnlich sehen. Auch im Buddhismus oder zumindest in seiner japanischen, chinesischen und indischen Spielart gibt es eine alte Tradition der Affenverehrung. Dies erkennt man an religiösen Kunstwerken und Skulpturen, so an den berühmten, geschnitzten drei Affen (nichts Böses sehen, nichts Böses hören, nichts Böses sprechen) am Toshogu-Schrein nördlich von Tokio. In diesen Regionen kommen Makaken schon seit Generationen, ja schon seit Jahrhunderten aus der freien Wildbahn dorthing und haben sich an die Nähe der Menschen gewöhnt. Heute bilden sie die Maskottchen vieler Tempel und Schreine; sie werden als Gefolgsleute Hanumans oder der Shinto-Gottheit Sanno gehätschelt und leben im Wesentlichen von den Pilgern und Touristen.

Ein solcher Ort ist der Sangeh-Affenwald im Inneren der Insel Bali. Er liegt inmitten der grünen Vulkanhänge und Reisterrassen der schönsten Insel der Welt. Hier warten 200 Makaken auf die Almosen der vielen Tausend Besucher, die jeden Monat durch den Tempel und den zugehörigen kleinen Wald schlendern. Deshalb wählten die Anthropologin Lisa Jones-Engel von der Universität Washington und ihr Mann, der Arzt Gregory Engel, Sangeh als Ort für ihre Untersuchungen zum Kontakt zwischen Menschen und dem von Affen übertragenen Herpes B. Eines wussten sie dabei ganz genau: Hier herrschen völlig andere Verhältnisse als im Labor.

Bali ist mit einer Fläche, die gut doppelt so groß ist wie das Saarland, und einer Bevölkerung von fast vier Millionen Menschen einer der am dichtesten besiedelten menschlichen Lebensräume auf der Erde – aber es ist eine bezaubernde Dichte: Die



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