Ich wollte Liebe und lernte hassen by Fritz Mertens

Ich wollte Liebe und lernte hassen by Fritz Mertens

Author:Fritz Mertens [Mertens, Fritz]
Language: deu
Format: epub
ISBN: 9783257016734
Publisher: Diogenes
Published: 1984-04-14T22:00:00+00:00


Ich schnitt dann mit der Schere die Filzklumpen ab, die mal Haare gewesen sein sollten, und bürstete ihn kräftig durch.

Candy schien das zu gefallen und sie machte keine Umstände.

Als ich fertig war, sah der Hund wieder richtig gut aus, und die Blutkrusten, die sich über den Wunden gebildet hatten, werden auch bald weg sein. Es war schon ein hübscher Kerl, wenn man ihn so ansah. Auf jeden Fall war er jetzt bei mir in guten Händen, und das schien er irgendwie zu merken. Der Hund hatte sich schnell erholt und war ganz zutraulich zu mir, da ich ihm immer das Fressen brachte. Aber wenn jemand fremd war, der nicht zur Familie gehörte, fing er gleich an zu bellen und manchmal dachte ich, er reißt die Kette aus der Wand. Von der Familie kannte er jeden, da ich immer jemand mitnahm, wenn ich ihm das Futter brachte. Es war alles recht und gut mit dem Hund, aber mir selber hatte es gestunken, daß ich den Hund an die Kette legen mußte. Die Kette war ungefähr fünf bis sechs Meter lang und in zwei Metern Höhe an der Mauer befestigt.

Die Kette war an einem Wirbel so, daß sie sich nicht verheddern konnte, wenn der Hund im Kreis lief.

An einem Ruhetag wurden wir von unserem Nachbar auf der gegenüberliegenden Straßenseite zu einem Gartenfest eingeladen und wir nahmen an. Als wir über die Straße gingen und miteinander sprachen, mußte mich Candy hinterm Haus gehört haben und fing an zu bellen. Ich sagte gar nichts und ging weiter. Das Gartenfest war wunderbar und als es zu Ende ging, begaben wir uns wieder nach Hause. Am nächsten Morgen ging ich zu Candy, um das Futter zu bringen. Als ich um die Hausecke kam, traf mich der Schlag. Der Hund hing an der Kette und stand auf den Hinterbeinen. Die Zunge hing ihm aus dem Maul, und ich sah sofort, daß er tot war. Ich ging zu Candy und kniete mich vor sie hin und fing an zu weinen. Der Nachbar fand mich und beruhigte mich, indem er mir tröstende Worte zusprach. Dann hängten wir Candy von der Kette ab und legten sie auf den Boden.

Der Wirbel der Kette hatte sich verfangen, und als Candy mich am gestrigen Abend gehört hatte, muß er im Kreis rumgelaufen sein und sich dabei selbst aufgehängt haben. Der Nachbar brachte dann eine Plane und packte Candy darin ein.

Er trug sie zu seinem Wagen und ich wußte, daß er sie jetzt in die Tierkadaverfabrik brachte, die außerhalb von Orsingen stand, und darin würden sie Candy zu Schmierseife verarbeiten.

Ich ging zurück ins Haus und erzählte Mutti, was sich ereignet hatte. Sie schien überhaupt nicht davon betroffen zu sein. Das mit Candy hatte ich bald vergessen, aber trotzdem ging es mir fast zwei Tage nach, daß ich den Hund verloren hatte. Mit Candy konnte ich über alles, was mir gestunken hat, sprechen, und sie schien mich zu verstehen. Naja, mit solchen Sachen muß man sich eben abfinden.

Ich hatte nur noch wenig Zeit, etwas oben in unserer Wohnung zu tun, also sie aufzuräumen und in Ordnung zu bringen.



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