Der Distelfink by Tartt Donna

Der Distelfink by Tartt Donna

Author:Tartt, Donna
Language: deu
Format: epub, mobi
Publisher: Godmann
Published: 2014-01-27T16:00:00+00:00


VIII

In Weltys altem Zimmer, das jetzt mein Zimmer war, obwohl noch seine alte Lesebrille und seine Füllfederhalter in den Schreibtischschubladen verstaubten, lag ich nachts wach, lauschte dem Straßenlärm und grübelte. In Vegas war mir der Gedanke gekommen, dass mein Dad oder Xandra, sollten sie das Gemälde finden, vielleicht nicht wussten, worum es sich handelte, jedenfalls nicht sofort. Aber Hobie würde es wissen. Immer wieder ertappte ich mich bei Fantasien, wie ich nach Hause kam, wo Hobie mit dem Bild in der Hand auf mich wartete – »Was ist das?« –, weil es keinen Trick, keine Ausrede, keine präventive Antwort gab, mit der ich einer solchen Katastrophe begegnen könnte, und wenn ich mich hinkniete und die Hand unters Bett streckte, um den Kopfkissenbezug zu berühren (wie ich es blindlings und in wahllosen Abständen tat), dann nur kurz angetäuscht und hektisch, als hätte ich ein zu heißes Gericht aus der Mikrowelle angefasst.

Ein Hausbrand. Der Besuch eines Kammerjägers. Das Wort INTERPOL in großen roten Lettern auf der Missing Art Database. Wenn jemand die Verbindung herstellen wollte, war Weltys Ring ein positiver Beweis, dass ich in dem Saal mit dem Gemälde gewesen war. Meine Zimmertür war so alt und hing so schief in den Angeln, dass sie nicht einmal richtig schloss, ich musste sie mit einem eisernen Türstopper zudrücken. Was, wenn er getrieben von einem unerwarteten Impuls auf die Idee kam, nach oben zu kommen und zu putzen? Obwohl das zugegebenermaßen untypisch für den zerstreuten und nicht besonders ordentlichen Hobie gewesen wäre, den ich kannte. Nein es macht ihm nichts aus wenn du chaotisch bist er kommt nie in mein zimmer außer um die laken zu wechseln & staub zu wischen, hatte Pippa gesimst, was mich veranlasst hatte, unverzüglich mein Bett neu zu beziehen und mit einem sauberen T-Shirt eine Dreiviertelstunde lang hektisch alle Oberflächen in meinem Zimmer abzuwischen – die Greife, die Kristallkugel, das Kopfbrett des Bettes. Schnell wurde das Staubwischen zu einer zwanghaften Angewohnheit – so sehr, dass ich losging und mir meine eigenen Staubtücher kaufte, obwohl Hobies Haus voll davon war. Ich wollte nicht, dass er mich Staub wischen sah, ja, ich konnte nur hoffen, dass ihm das Wort Staub gar nicht erst in den Sinn kam, sollte er zufällig den Kopf durch die Tür stecken.

Da ich das Haus unbeschwert nur mit Hobie zusammen verlassen konnte, verbrachte ich die meisten Tage an meinem Schreibtisch in meinem Zimmer und nahm mir selbst zum Essen kaum Zeit. Wenn er ausging, begleitete ich ihn zu Galerien, Nachlassverkäufen, Ausstellungsräumen und Auktionen, bei denen ich mit ihm ganz hinten stand (»Nein, nein«, sagte er, als ich ihn auf die leeren Stühle weiter vorne hinwies, »wir wollen doch die Tafeln mit den Bieternummern sehen können.«) – anfangs spannend genau wie die Filme, doch nach ein paar Stunden so ermüdend wie irgendetwas aus Analysis: Konzepte und Lösungen.

Aber auch wenn ich mich (leidlich erfolgreich) bemühte, desinteressiert zu tun, und ihm scheinbar gleichgültig durch Manhattan folgte, klebte ich in Wahrheit mit derselben Ängstlichkeit an ihm, mit der Poptschik in Vegas – verzweifelt einsam – ständig hinter Boris und mir hergelaufen war.



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