Lolita (German) by Vladimir Nabokov

Lolita (German) by Vladimir Nabokov

Author:Vladimir Nabokov [Nabokov, Vladimir]
Language: deu
Format: epub
Tags: Klassiker, Literatur
ISBN: 3499225433
Published: 1955-01-13T23:00:00+00:00


3

Mit unbesonnener Neugier war sie in meine Welt eingedrungen, das umbrafarbene und schwarze Humber-land; sie hatte diese Welt mit einem Achselzucken amüsierten Widerwillens in Augenschein genommen; und nun schien sie mir bereit, sich mit entschiedenem Abscheu von ihr abzuwenden. Nie erzitterte sie unter meiner Berührung, und ein schrilles «Was fällt dir ein!» war der Lohn für alle meine Mühen. Dem Wunderland, das ich zu bieten hatte, zog mein Närrchen die kitschigsten Filme, die klebrigste Schokoladensauce vor. Nicht auszudenken, daß sie vor der Wahl zwischen einem Hamburger und einem Humburger sich prompt und mit eisiger Unfehlbarkeit für jenen entschiede. Nichts ist grausamer als ein vergöttertes Kind. Habe ich schon den Namen der Milchbar erwähnt, in der ich da eben gewesen war? Ausgerechnet Königin Frigida hieß sie. Ich lächelte ein bißchen traurig und nannte Lolita meine Prinzessin Frigida. Sie verstand meinen wehmütigen Scherz gar nicht.

O Leser, runzle nicht die Brauen; ich habe nicht die Absicht, den Eindruck zu erwecken, als hätte ich es nicht geschafft, glücklich zu sein. Der Leser muß sich vor Augen halten, daß sich der verzauberte Wanderer im Besitz und im Bann eines Nymphchens jenseits des Glücklichseins befindet. Denn keine Seligkeit auf Erden ist der vergleichbar, ein Nymphchen zu liebkosen. Sie ist hors concours, diese Seligkeit, sie gehört einer anderen Gattung an, einer anderen Ordnung der Gefühle. Trotz unserer Kabbeleien, trotz ihrer Garstigkeit, trotz aller Schwierigkeiten, die sie machte, trotz der Gesichter, die sie schnitt, und trotz der Vulgarität und der Gefahr und der grauenvollen Hoffnungslosigkeit der ganzen Sache lebte ich tief in meinem erwählten Paradies, einem Paradies, dessen Himmel die Farbe der Höllenflammen hatte - und das dennoch ein Paradies war.

Dem fähigen Psychiater, der meinen Fall studiert -und den Dr. Humbert hoffentlich mittlerweile in einen Zustand kaninchenhafter Faszination versetzt hat -, ist zweifellos daran gelegen, daß ich mit meiner Lolita an die See fahre, damit mir dort endlich die «Befriedigung» eines lebenslangen Begehrens zuteil werde, die mich von der «unbewußten» Besessenheit der nie gestillten Kindheitsliebe zu der kleinen Miss Lee befreit, mit der alles begann.

Nun, Kamerad, laß dir sagen, daß ich mich tatsächlich nach einem Strand umsah. Allerdings muß ich bekennen, daß meine Reisegefährtin mir bereits so viele Wonnen gewährt hatte, als wir an seine Fata Morgana grauen Wassers gelangten, daß die Suche nach dem Prinzenreich am Meer, nach einer sublimierten Riviera oder dergleichen längst aufgehört hatte, ein Impuls aus dem Unterbewußten zu sein, und zur rationalen Verfol-gung einer rein theoretischen Lust geworden war. Die Engel wußten es und richteten alles entsprechend ein. Der Besuch einer geeigneten Bucht an der atlantischen Küste wurde durch schlechtes Wetter gründlich verdorben. Ein bedeckter, feuchter Himmel, schlammige Wellen, ein Gefühl von grenzenlosem, jedoch prosaischem Nebel - was hätte dem knisternden Zauber, dem saphirenen Anlaß und den rosenfarbenen Umständen meiner Rivieraliebe ferner sein können? Ein paar halbtropische Strände am Golf von Mexiko waren wohl sonnig genug, doch übersät von sternförmigem oder gallertartigem giftigem Getier und heimgesucht von Orkanen. Vor dem Gespenst des Stillen Ozeans stieß ich schließlich an einem kalifornischen Strand auf eine



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