Grass, Guenter by Grimms Woerter

Grass, Guenter by Grimms Woerter

Author:Grimms Woerter [Woerter, Grimms]
Language: deu
Format: epub
Published: 2010-08-26T22:00:00+00:00


Indessen nimmt Jacob, was mir einleuchtet, von seinem Bruder und dem gewiß nicht geräuscharmen Familienbetrieb in der Linkstraße Abstand. Den nicht allzu entfernt liegenden Tiergarten sucht er auf, um auf dessen Wegen das Stichwort Ehe und nebenbei Wilhelms viele Jahre zurückliegende Eheschließung zu bedenken.

Vom erstaunten Ausruf eh!, den er, weil aus dem Französischen zugeführt, als Abschwächung des Rufes ah! wertet, nähert er sich über ehbevor, gleich ehmals, und dem aus vielen Zitaten sprechenden ehe - »ehe wir nun weiter schreiten« - der Verbindung zweier Personen verschiedenen Geschlechts zum, wie er später mit einem Kantzitat feststellen wird, »lebenswierigen besitz ihrer geschlechtseigenschaften«.

Dann kommt ihm angesichts einer Buche, deren zwei glatthäutige Stämme aus einer Wurzel treiben, ein gewisser Schlegel - es ist aber weder Friedrich noch August Wilhelm - in den Sinn, der aus Einsicht in eheliche Verhältnisse auf den Ehefrieden und das Ehejoch hinweist: »albern ist menschenhasz, zweideutig bleibet die reue, aber der kinder gequäk flickt die gebrochne eh.« Dabei ist des Bruders Ehebündnis mit seiner Dorothea nicht von dererlei Zerreißproben gezeichnet, jedenfalls meldet der Briefwechsel der Brüder keinerlei Ehekrach oder gar -bruch.

Lange vor der Zeit in Göttingen, noch in Kassel wurde die Heirat beschlossen. Nach dem Tod der Mutter mußten die jüngeren Brüder Ludwig Emil, Ferdinand, Karl, die, insbesondere Ferdinand, von unsteter Lebensart waren, von Jacob und Wilhelm versorgt werden. Um den Haushalt kümmerte sich die Schwester Lotte. Das tat sie mehr recht als schlecht. Dann heiratete sie einen Hassenpflug, der später, als »Hessenfluch« verspottet, Minister wurde und, weil reaktionär, in Kurhessen verhaßt war.

Wer sollte nun für den Haushalt sorgen, in dem es, solange die Besoldung der älteren Brüder als Bibliothekare mager ausfiel, in der Regel knapp zuging? Lotte, die bis dahin gekocht, den Eßtisch gedeckt, allen Brüdern reinliche Hemden geplättet, die Strümpfe gestopft und den Kachelofen geheizt hatte, wird, als sie den unleidlichen Hassenpflug ehelichte, zur Anstellung einer Haushälterin geraten haben. Aber Jacob und Wilhelm kamen überein: Einer von uns muß sich als ehewillig beweisen. Wer ist geneigter, geeigneter?

Dieser grundsätzlichen Frage, doch auch allgemein dem Stichwort Ehe geht Jacob nun auf Tiergartenwegen nach. Vor dem marmornen Standbild einer Göttin, die jedoch anders als die Venus am Goldfischteich sittenstreng gekleidet ist, bleibt er stehen und mag sich Fragen stellen: Wer von uns war damals bereit, die bis dahin bewiesene Ehescheu zu überwinden? Wessen Egoismus war zu überreden? Wer verweigerte sich, wer zeigte sich gewillt?

Bald war man einhelliger Meinung: Wilhelm ist ehetauglicher, weil geselliger, nachweislich kinderlieb, verträglich, sobald es streitbar um Kleinigkeiten geht, und zudem fähig, nicht nur mit Worten zärtlich zu sein.

Oder, fragt sich Jacob, der nun unschlüssig auf einer Wegkreuzung zaudert, hätten wir Brüder dem Zufall vertrauen, Würfel oder Münzen werfen, einer von uns mit der Spielkarte Herzdame das Ehelos ziehen sollen?

Dabei stand von Anbeginn fest: wenn überhaupt einer, dann hatte Wilhelm das Zeug zum Ehegemahl. Er, der Erwählte, willigte ein.

Im Rückblick auf die Brautschau sieht Jacob die in der Kasseler Nachbarschaft wohnende und ihnen seit Jahren freundlich gesonnene, zudem ehrbare Apothekerstochter Dorothea Wild, von Anfang an Dortchen geheißen. Ihr traute er zu, mit dem Bruder stillschweigend auch ihn zu ehelichen.



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