Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens (German Edition) by Rosenberg Marshall B

Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens (German Edition) by Rosenberg Marshall B

Author:Rosenberg, Marshall B. [Rosenberg, Marshall B.]
Language: deu
Format: epub
ISBN: 9783873878013
Publisher: Junfermannsche Verlagsbuchhandlung GmbH & Co. KG
Published: 2011-06-14T22:00:00+00:00


Wenn Schmerz unsere Empathiefähigkeit blockiert

Eine Mutter kann ihren Säugling nicht stillen, wenn sie nicht selbst genügend Nahrung erhält. Genauso ist es, wenn wir selbst trotz aller Anstrengungen unfähig oder nicht willens sind, Empathie aufzubringen. Das weist uns dann meistens darauf hin, daß unser eigener Hunger nach Empathie zu groß ist, als daß wir für andere einfühlsam da sein könnten. Manchmal, wenn wir offen dazu stehen, daß unsere eigene Anspannung eine empathische Reaktion auf den anderen nicht zuläßt, bekommen wir von ihm oder ihr möglicherweise die Empathie, die wir gerade brauchen.

In anderen Situationen kann es notwendig sein, daß wir uns selbst zunächst mit etwas Einfühlung aus der „Notfall-Empathie“ versorgen, indem wir mit der gleichen Qualität an Präsenz und Aufmerksamkeit, die wir anderen anbieten, dem zuhören, was in unserem eigenen Inneren vorgeht. Der frühere Generalsekretär der Vereinten Nationen, Dag Hammarskjöld, sagte einmal: „Je intensiver du deiner inneren Stimme zuhörst, desto besser wirst du erfassen, was in der äußeren Welt vor sich geht.“ Wenn wir geübter darin werden, uns selbst Empathie zu geben, dann erleben wir oft in nur wenigen Sekunden ein natürliches Freisetzen von Energie, die es uns dann möglich macht, für die andere Person da zu sein. Wenn das jedoch nicht geschieht, haben wir noch ein paar andere Möglichkeiten.

Um Empathie zu geben, brauchen wir selbst Empathie.

Wir können z.B. auch schreien – gewaltfrei. Ich erinnere mich an eine dreitägige Mediation zwischen zwei Gangs, die sich gegenseitig ausrotteten. Eine Gang nannte sich Schwarze Ägypter, die andere Polizeidienststelle Ost-St. Louis. Es stand zwei zu eins – insgesamt drei Tote in einem Monat. Nachdem ich drei Tage voller Anspannung versucht hatte, die beiden Gruppen zusammenzubringen, damit sie einander hören und ihre Konflikte lösen konnten, fuhr ich nach Hause und dachte, daß ich in meinem ganzen Leben nie mehr mitten in einem Konflikt stehen wollte.

Das erste was ich sah, als ich durch die Tür ins Haus kam, waren meine Kinder, die sich stritten. Ich hatte keine Energie mehr, um ihnen Empathie zu geben, also schrie ich gewaltfrei: „Hey, ich habe gerade viel Schmerz in mir! Ich will mich jetzt überhaupt nicht mit eurem Streit beschäftigen! Ich will einfach nur ein bißchen Ruhe und Frieden!“ Mein älterer Sohn, der damals neun war, hielt inne, schaute mich an und fragte: „Möchtest du darüber sprechen?“ Wenn es uns gelingt, unseren Schmerz, so wie er ist, ohne Schuldzuweisung auszudrücken, dann ist es meiner Erfahrung nach sogar Leuten unter Streß manchmal möglich, unser Bedürfnis zu hören. Dabei brülle ich natürlich nicht: „Was ist los mit euch? Könnt ihr euch nicht besser benehmen? Ich habe gerade einen harten Tag hinter mir!“ oder deute irgendwie an, daß mit ihrem Verhalten etwas nicht stimmt. Ich schreie gewaltfrei, indem ich die Aufmerksamkeit auf meine eigenen verzweifelten Bedürfnisse und momentanen Schmerzen richte.

Wenn jedoch unser Gegenüber in dem Augenblick ebenfalls eine derart hohe Gefühlsintensität durchlebt, daß er uns weder hören noch von uns lassen kann, dann besteht unsere dritte Zuflucht darin, rein körperlich aus der Situation herauszugehen. Wir geben uns dann selbst eine Auszeit und die Gelegenheit,



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