K by McCarthy T

K by McCarthy T

Author:McCarthy, T [McCarthy, T]
Language: deu
Format: epub
Published: 2012-02-15T23:00:00+00:00


9

I

Als es September wird, sind mehr als zwei Drittel der Piloten und Beobachter, die bei Serges Ankunft zur 104. Fliegerstaffel gehörten, tot. Wer überlebt, verwandelt sich wie die Landschaften auf Pietersens Photographien. Die Gesichter zeigen tiefe Furchen und werden zu Leder, zu dickem, mit Nikwachs eingeriebenem Leder, jede einzelne Pore wie eine Höhle vor felsigem Grund. Nervöse Spasmen lassen Lider zucken und Lippen zittern. Kommen die Männer von einem Flug zurück, stolpern sie aus ihren Maschinen, da die Nachwirkung von Beschleunigung und Abbremsen, von stufenlosen Übergängen zwischen abwechselnd positiver und negativer Schwerkraft sie taumeln lässt, die offenen Münder wie erstarrt, die Wangen eingesogen und die Zungen geschwollen, die sie in den nächsten Stunden dem Flughafenpersonal entgegenstrecken. Lauter Clown-Bodners, sagt sich Serge. Manchmal kichern sie unbeherrscht, als hätte ihnen eine vorbeifliegende Granate den allerlustigsten Witz zugeflüstert, nur lässt sich oft kaum unterscheiden, ob sie lachen oder weinen. Der Puls der Maschinen ist ihnen in Fleisch und Knochen eingedrungen und hat in ihrem Innersten kleine, vibrierende Motoren zurückgelassen: Ihre Hände haben Mühe, Teetassen zu halten, Zigaretten anzuzünden, Jacken aufzuknöpfen …

»Der reinste fliegende Zirkus«, krächzt Clegg eines Nachmittags der Kasinoordonnanz mit zittriger Stimme zu. »Diese Jastas. Fliegen in riesigen Formationen die Front auf und ab. Und kreisen sie dich ein, kannst du nur wenig machen. Sie kommen aus allen Richtungen …«

»Deshalb motz ich meine Maschine auf«, erklärt ihnen Stanley, ein Neuling.

»Wie denn?«, fragen Serge und Clegg wie aus einem Mund.

»Methode Mecki«, lautet Stanleys mysteriöse Antwort.

»Wie die Frisur?«, fragt Serge.

»Eher wie der Igel«, spöttelt Stanley. »Ihr werdet schon sehen.«

Am nächsten Tag rollt er eine SE5 aus dem Bessoneau-Hangar, an der er nicht weniger als sieben Lewis-MGs befestigt hat. Sie ragen in jeder nur denkbaren Richtung aus der Maschine; eines hängt sogar unterm Heck.

»Um sie gegen die Bisse der Haie zu schützen«, erklärt Stanley und tätschelt dabei die Heckwaffe.

»Wie willst du die denn alle bedienen?«, fragt Serge.

»Ich spring von einem zum anderen, je nachdem, aus welcher Richtung sie kommen. Ich werde diesen ganzen Aufbau spielen lernen wie ein Instrument – eine Orgel zum Beispiel: Da kann man auch nicht alle Register und Pedale gleichzeitig bedienen, doch weiß man, wie, funktioniert die Chose trotzdem …«

Walpond-Skinner verbietet Stanleys Igelei: »Hätte die Königliche Luftwaffe eine Dreihundertsechzig-Grad-Kugelschleuder gewollt, hätte sie eine gebaut. Ihre Aufgabe ist das Fliegen. Zwei Geschütze für jede Maschine – mehr nicht!«

Eine Woche später ist Stanley tot. Serge erbt seine Ausgabe der Sonette Shakespeares und entdeckt gleich im ersten Widsuns Worte über den frischen Jugendschein und prallen Lenz et cetera, doch die Zeile, die ihm im Gedächtnis haften bleibt, stammt aus einem späteren Sonett, aus Nummer 65, ein Vers über die Liebe, der Tinte Dauer verschafft. Er hört ihn immer wieder: Wenn er Befehlskopien liest, sich Teer aus dem Gesicht wischt oder das dunkle Wasser an den schwimmenden Hausbooten vorbeiziehen sieht. Clegg und Watson fangen derweil Fische im Fluss, setzen sie in der Kantine in ein Glasgefäß aus und studieren ihr Verhalten.

»Er hatte recht, weißt du«, sagt Watson. »Wir brauchen ein Anti-Hai-Geschütz; diese Stelle unterm Heck ist ungeschützt und schlecht einzusehen.



Download



Copyright Disclaimer:
This site does not store any files on its server. We only index and link to content provided by other sites. Please contact the content providers to delete copyright contents if any and email us, we'll remove relevant links or contents immediately.