Young Sherlock Holmes 2 by Lane Andrew

Young Sherlock Holmes 2 by Lane Andrew

Author:Lane, Andrew [Lane, Andrew]
Language: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-10-401354-1
Publisher: Fischer E-Books
Published: 2012-08-01T16:00:00+00:00


10

Obwohl es gerade erst Nachmittag war, legte Sherlock sich eine Weile schlafen. Es war ein unruhiger Schlaf, angefüllt mit Bildern von Matty, der hilflos und gefesselt im Dunkeln vor sich hinweinte und sich fragte, wo nur seine Freunde blieben. Als Sherlock aufwachte, stellte er fest, dass seine Wangen nass waren. Anscheinend hatte er im Schlaf geweint, und er brauchte einen Augenblick, um sich daran zu erinnern, wo er sich befand und was passiert war.

Seine Muskeln schmerzten, die Lungen brannten, und an seinem Hals zeichneten sich dicke Blutergüsse an den Stellen ab, wo Grivens zugedrückt hatte. Er horchte in sich hinein, um festzustellen, ob er so etwas wie Entsetzen über das empfand, was er getan hatte. Aber da gab es kein solch starkes Gefühl. Bedauern allerdings schon. Er bedauerte die Tatsache, dass ein Mann umgekommen war. Aber das war auch alles.

Als er so dalag und an Grivens dachte, um sich von seinen Sorgen um Matty abzulenken, ertappte er sich dabei, wie er über die blau schimmernde Tätowierung am Handgelenk des Stewards nachdachte. Diejenige, durch welche er erst darauf gekommen war, dass der Mann ihn beobachtete. Hatte sich Sherlock zuvor überhaupt jemals über Tätowierungen Gedanken gemacht, so waren sie in seiner Vorstellung eher etwas rein Dekoratives gewesen. Aber offensichtlich war das längst nicht alles. Denn sie stellten auch ein Mittel zur Identifizierung dar. Und in diesem Fall hatte eine Tätowierung ihm geholfen, einen Mann wiederzuerkennen, der ihn tags zuvor im Auftrag von Booth und seinen Männern beobachtet hatte. Und nach dem, was der Steward ihm erzählt hatte, konnte man einen Tätowierer an seinem Stil erkennen. Genau wie ein Bild von Vermeer oder Rubens. Oder von Vernet, dachte Sherlock, als ihm die Bilder in der Halle von Holmes Manor in den Sinn kamen. Unwillkürlich nahm die Idee einer Enzyklopädie der Tätowierungen in seinem Kopf Gestalt an, die mit Querverweisen auf den jeweiligen Entstehungsort und die ausführenden Künstler versehen war. Ob so etwas wohl überhaupt möglich war?

Nach einer Weile kam er zu dem Schluss, dass es zu nichts führte, wenn er weiter nur in der Koje herumlag. Also stand er auf und ging hinaus.

Die Sonne brannte heiß aufs Deck der SS Scotia herab. Ringsherum gab es nichts anderes zu sehen als Wasser und den platten Horizont. Es war, als befände man sich in der Mitte einer umgedrehten blauen Porzellanschale. Und es gab keinerlei Anzeichen dafür, dass sie sich überhaupt fortbewegten. Sogar die Seevögel schienen bewegungslos über ihnen in der Luft zu schweben.

Nach einigen Minuten merkte Sherlock, dass er, ohne es bewusst wahrzunehmen, schon einige Zeit eine Violine spielen gehört hatte. Rufus Stone? Vermutlich, denn die Wahrscheinlichkeit, dass sich zwei Geigenspieler an Bord befanden, war ziemlich gering. Außerdem meinte er, allmählich einige Stilelemente von Stones Violinenspiel heraushören zu können: die spielerischen Schnörkel am Ende bestimmter Phrasen und die Art, wie die Finger seiner linken Hand zuweilen mit komplizierten Arpeggios rangen.

Er machte sich auf, um Ausschau nach seinem Violinlehrer zu halten, und stieß schließlich an der gewohnten Stelle am Heck auf ihn. Dieses Mal stand keine Menge um ihn herum.



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