Die drei Kritiken by Immanuel Kant

Die drei Kritiken by Immanuel Kant

Author:Immanuel Kant [Kant, Immanuel]
Language: deu
Format: epub
Publisher: Anaconda
Published: 2015-09-05T16:00:00+00:00


DES KANONS DER REINEN VERNUNFT ZWEITER ABSCHNITT

Von dem Ideal des höchsten Guts, als einem Bestimmungsgrunde des letzten Zwecks der reinen Vernunft

Die Vernunft führte uns in ihrem spekulativen Gebrauche durch das Feld der Erfahrungen und, weil daselbst für sie niemals völlige Befriedigung anzutreffen ist, von da zu spekulativen Ideen, die uns aber am Ende wiederum auf Erfahrung zurückführten, und also ihre Absicht auf eine zwar nützliche, aber unserer Erwartung gar nicht gemäße Art erfüllten. Nun bleibt uns noch ein Versuch übrig: ob nämlich auch reine Vernunft im praktischen Gebrauche anzutreffen sei, ob sie in demselben zu den Ideen führe, welche die höchsten Zwecke der reinen Vernunft, die wir eben angeführt haben, erreichen und diese also aus dem Gesichtspunkte ihres praktischen Interesse nicht dasjenige gewähren könne, was sie uns in Ansehung des spekulativen ganz und gar abschlägt.

Alles Interesse meiner Vernunft (das spekulative sowohl als das praktische) vereinigt sich in folgenden drei Fragen:

1. Was kann ich wissen?

2. Was soll ich tun?

3. Was darf ich hoffen? |

Die erste Frage ist bloß spekulativ. Wir haben (wie ich mir schmeichele) alle möglichen Beantwortungen derselben erschöpft und endlich diejenige gefunden, mit welcher sich die Vernunft zwar befriedigen muß und, wenn sie nicht aufs Praktische sieht, auch Ursache hat zufrieden zu sein, sind aber von den zwei großen Zwecken, worauf die ganze Bestrebung der reinen Vernunft eigentlich gerichtet war, ebensoweit entfernt geblieben, als ob wir uns aus Gemächlichkeit dieser Art gleich anfangs verweigert hätten. Wenn es also um Wissen zu tun ist, so ist wenigstens soviel sicher und ausgemacht, daß uns dieses in Ansehung jener zwei Aufgaben niemals zuteil werden könne.

Die zweite Frage ist bloß praktisch. Sie kann als eine solche zwar der reinen Vernunft angehören, ist aber alsdann doch nicht transzendental, sondern moralisch, mithin kann sie unsere Kritik an sich selbst nicht beschäftigen.

Die dritte Frage, nämlich: wenn ich nun tue, was ich soll, was darf ich alsdann hoffen? ist praktisch und theoretisch zugleich, so daß das Praktische nur als ein Leitfaden zu Beantwortung der theoretischen und, wenn diese hoch geht, spekulativen Frage führt. Denn alles Hoffen geht auf Glückseligkeit und ist in Absicht auf das Praktische und das Sittengesetz eben dasselbe, was das Wissen und das Naturgesetz in Ansehung der theoretischen Erkenntnis der Dinge ist. Jenes läuft zuletzt auf den Schluß hinaus, daß etwas sei (was den letzten möglichen Zweck bestimmt), weil etwas geschehen soll, dieses, daß etwas sei (was als oberste Ursache wirkt), weil etwas geschieht.

Glückseligkeit ist die Befriedigung aller unserer Neigungen (sowohl extensive der Mannigfaltigkeit derselben als intensive dem Grade und auch protensive der Dauer nach). Das praktische Gesetz aus dem Bewegungsgrunde der Glückseligkeit nenne ich pragmatisch (Klugheitsregel); dasjenige aber, wofern ein solches ist, das zum Bewegungsgrunde nichts anderes hat als die Würdigkeit, glücklich zu sein, moralisch (Sittengesetz). Das erstere rät, was zu tun sei, wenn wir der Glückseligkeit wollen teilhaftig, das zweite gebietet, wie wir uns verhalten sollen, um nur der Glückseligkeit würdig zu werden. Das erstere gründet sich auf empirische Prinzipien; denn anders als vermittelst der Erfahrung kann ich weder wissen, welche Neigungen



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